Foto: shutterstock

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Der ICE nach Hamburg ist überpünktlich: Vier Stunden Reise liegen vor mir, ich habe bewusst ein Ruheabteil gebucht, damit ich die Zeit zum Arbeiten nutzen kann. Doch mein Platz ist belegt: Etliches Reisegepäck blockiert Sitz und Eingang. Darf ich das auf die Seite stellen? “Ei, wenn se die Kraft ham, des hochzuwuchten”, erwidert eine Dame in breitem Dialekt.

Zwei Plätze gebucht, fünf blockiert

Der große Koffer ist so schwer, dass wir vereinbaren, ich dürfe ihn vor das Abteil in den Gang stellen. Nun kann ich zumindest eintreten. Doch die Dame und ihr männlicher Begleiter, beide Mitte Sechzig, machen keine Anstalten, meinen Sitz zu räumen. Irgendwie haben sie alles in Beschlag genommen: Zwei Plätze gebucht, fünf blockiert: My Train is my Castle!

Ich wähle den einzig freien Platz und fange an zu arbeiten. Der Herr legt die Zeitung auf die Seite, seine Partnerin „babbelt“ unentwegt. Nichts wichtiges, eher banales: “Kuck emol do…!” Sie liest die Schilder der Bahnhöfe vor, weist auf Bäume und Häuser. Alle paar Sekunden hat sie was Neues entdeckt und muss es gleich benennten.

Rücksicht scheint nicht angebracht

Langsam geht mir das kindliche Ausrufen von Bäumen und Häusern auf die Nerven. Ich prüfe die Abteiltür: Das Flüsterzeichen signalisiert – alles richtig, ich bin im Ruhebereich. Doch die beiden Mitreisenden interessiert das nicht die Bohne. Sie sehen zwar klar, dass ich in Ruhe arbeiten will, doch Rücksicht scheint ihnen nicht angebracht.

Nun prüfe ich meine Optionen: Auf eine Diskussion mit den beiden habe ich keine Lust, also pfeife ich auf meine Reservierung und mache mich auf die Suche nach einem neuen Platz. In der Handy-Zone finde ich ein ruhiges Abteil. Schnell die Sachen holen, die beiden gucken ganz erstaunt. Ich erkläre kurz dass ich arbeiten möchte und in ruhigeres Abteil umziehen werde. Der Kommentar meiner Nachbarin „Alla hopp!“ Vielen Dank: Zum Schluss gibt es statt einer Entschuldigung noch einen verbalen Fußtritt.

Zeit für einen neuen Bahn Knigge

Schade, dass die Initiative vom Deutschen Knigge Rat einen Bahn Knigge gemeinsam mit dem Unternehmen zu veröffentlichen ist, im Sande verlaufen ist. Bereits vor drei Jahren haben meine Kollegin Agnes Anna Jarosch und ich Gespräche mit dem Konzern geführt. Doch in der Praxis schien wenig Interesse an unserem Vorstoß. Ärgerlich für die zahlreichen Bahnkunden, die täglich ähnliche Erfahrungen machen: Nach meiner Ansicht ist die Zeit für einen neuen Bahn Knigge längst gekommen.

Welche Erfahrungen machen Sie auf Bahnreisen?

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